Ist am Ende Schluss mit lustig?

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Eine Kran­ken­schwester rennt aufge­regt ins Ärzte­zimmer. «Herr Doktor, der Simu­lant auf Zimmer 9 ist soeben gestorben.» «Also jetzt über­treibt er wirk­lich!» Ist das schwarzer Humor? Darf man so etwas erzählen? Unter welchen Bedin­gungen? Wer lacht mit, wer nicht? Gibt es eine «Indi­ka­tion» für solche Witze, bestimmte Risiken und Neben­wir­kungen?

Humor und Lachen befreit, schenkt Augen­blicke der Begegnung und Erleichterung…

… und schafft eine Verbin­dung zwischen dem Erzähler und den zuhörenden Lachenden. Der Clown in Bölls berühmten Roman weiß dies. Und es gilt nicht nur für die, die mitten im Leben stehen, sondern auch für dieje­nigen am Lebens­ende.

Der Clown, modern gespro­chen: der Humorthe­ra­peut, ist ein Sonder­fall im Kreis der lustigen Menschen. Psycho­lo­gisch gesehen reprä­sen­tiert er das «innere Kind». Ursprüng­lich hat er sich aus der Typo­logie der Stammesheiligen bzw. Priester entwi­ckelt, die in früheren Zeiten auch als Spass­ma­cher aufge­treten sind. Daraus haben sich dann später Figuren wie der Hofnarr, der Gaukler oder der Dumme August entwi­ckelt. Ihre Aufgabe bestand darin, beste­hende Narra­tive zu hinter­fragen bzw. gegen Tabus anzu­gehen, konven­tio­nelle Deutungen und Regeln zu kriti­sieren und somit auch jegliche Form von Abso­lut­heit (poli­tisch, reli­giös). Vor allem der Hofnarr hatte dabei eine nahezu gren­zen­lose Frei­heit in seinem sati­ri­schen Spott: er durfte dem König «alle Schand» sagen, ohne selber Sank­tionen befürchten zu müssen. Somit eignet sich auch das Sterben thema­tisch für den Clown, weil ja der Tod tatsäch­lich ein «Skandal» ist für den unbe­dingten Lebens­willen eines Menschen, aber auch eine Provo­ka­tion für unsere hoch tech­no­lo­gi­sierte (schul­me­di­zi­ni­sche) Welt, in der sonst (fast) alles machbar zu sein scheint.

Und was ist eigent­lich Humor?

Humor ist, nach einer Defi­ni­tion im Duden, «die Fähig­keit eines Menschen, der Unzu­läng­lich­keit der Welt und der Menschen, den Schwie­rig­keiten und Miss­ge­schi­cken des Alltags mit heiterer Gelas­sen­heit zu begegnen, sie nicht so tragisch zu nehmen und über sie und sich lachen zu können.»

Humor [engl. humor; lat. umor Feuch­tig­keit] kommt begriff­lich aus der Welt der Körper­säfte, wie wir sie von Hippo­krates und Galen (+ 200 n. Chr.) kennen. Aus dem Blut bzw. aus den Körper­säften glaubte man, das allge­meine psychi­sche und charak­ter­liche Gefüge bzw. auch die Krank­heiten eines Menschen herleiten zu können. Im über­tra­genen Sinn entwi­ckelte sich das Wort Humor im 18. Jhd. zu einer Kate­gorie des Fröh­li­chen oder Komi­schen.

Lachen ist gut – für die Seele

Auch wenn ein unheilbar Erkrankter nach mensch­li­chem Ermessen nicht mehr gesunden wird: Lachen ist dennoch immer gesund, was bereits der Volks­mund weiss. Es hat physio­lo­gi­sche Effekte: ist zirku­la­ti­ons­an­re­gend für das Herz, erhöht die Sauer­stoff­sät­ti­gung der Lunge, schüttet ange­nehme Neuro­en­dor­phine aus, fördert die Entspan­nung in den Muskeln sowie die Akti­vität des auto­nomen Nerven­sys­tems. Das alles beschreibt die Gelo­to­logie: die Wissen­schaft der Auswir­kungen des Lachens. Neuro­logen, Immu­no­logen, Stress­for­scher und Psycho­logen wissen davon ein Lied zu singen.

Ich habe in meinem Kaba­rett-Programm «Der Tod ist doch das Letzte!» eine Nummer «Chemo­the­rapie» gespielt, mehrere Male auch vor Krebskranken. Darin erwähnte ich, dass manchmal die Chemo­the­rapie selber aufgrund der stark verän­derten Blut­werte Leuk­ämie provo­zieren kann, dass man also «den Teufel mit dem Beel­zebub austreibt», wie man früher sagte. Danach gab es einige berüh­rende Begeg­nungen. So erzählte mir eine an Brust­krebs erkrankte Zuhö­rerin von ihrem Dialog, den sie zwischen dem «Teufel» und dem «Clown» jeweils vor einer Chemo­the­rapie führt. Dafür nahm sie Puppen aus einem Kasper­le­theater, welches ihr noch aus ihrer aktiven Zeit als Kinder­gärt­nerin geblieben war. Ich hatte im Kaba­rett erwähnt: «Sterben ist ein scheiss Tod; aber er kommt nur einmal. Damit kann man leben.» Diese Doppel­deu­tig­keit fand sie ziem­lich witzig und lachte laut­hals. Sie fühlte sich durch meinen schwarzen Humor nicht verlacht oder bloß gestellt. Warum? Weil sie bzw. ihr «Clown» sich nicht vor dem Sterben fürchte, so meinte sie.

Ja, wie lacht man über sich selbst, wenn das Leben so belastet ist?

Es gibt ein Stufen­mo­dell des Humors nach Iren Bischof­berger (Das kann ja heiter werden, Bern 2008). 1 und 2) Humor­lose Menschen können kaum lachen oder höchs­tens über andere. 3) Mit der Fähig­keit zur Selbst­ironie kann man auch über sich selber lachen. 4 und 5) Man lässt auch andere über sich lachen – oder noch besser: man lacht gemeinsam mit anderen über sich selbst.

Die erwähnte Kinder­gärt­nerin bewegte sich auf den beiden letzten Stufen. Dafür war mir aber bewusst, auf welch schmalem Grat ich mich da bewegte: es gibt ja auch eine dunkle Seite des Humors.

Schwarzer Humor und Zynismus

Schwarzen Humor finden wir z.B. in den stress­be­frach­teten Arbeits­fel­dern des Gesund­heits­we­sens. Unzäh­lige Witze werden von bzw. über Notärzte oder Rettungs­sa­ni­täter erzählt. Wo es um Leben und Tod geht, hat der Humor bzw. der Witz offen­sicht­lich eine wich­tige entlas­tende Funk­tion, weil er die sonst schwer verdau­liche Wirk­lich­keit ertragen lässt. Hier liegt auch der Unter­schied zum Zynismus. Dieser will den Menschen gegen­über an seinem wunden Punkt treffen und bloss­stellen, während der Humor niemals verletzen will.

Lachen und Ausla­chen

Eine ähnliche Unter­schei­dung lässt sich beim Lachen finden. Im gemein­samen Lachen zeigt sich Verbun­den­heit der Menschen – auch und gerade ange­sichts des Ster­bens.  Dieses Erleben von Soli­da­rität kann dem Schwer­kranken oder Ster­benden eine wert­volle Unter­stüt­zung sein. Im Ausla­chen eines anderen wird ein Witz jedoch auf Kosten des anderen gemacht. Dies setzt ihn herab oder macht ihn als lächer­lich, und zemen­tiert ein Macht­ge­fälle zwischen dem Lachenden und dem Verlachten.

Ernst­nehmen und Verletzen

Wenn ein Todkranker oder ein trau­ernder Mensch mit Witzen konfron­tiert wird, kann das irri­tieren oder sogar abstoßen. Zum Wesen des Humors gehört es dagegen, den anderen ernst zu nehmen. Dies ist nur vorder­gründig paradox. Monika Müller (Dem Sterben Leben geben, Gütersloh 2004) formuliert dazu: «Sucht man nach dem Gegen­teil von Humor, drängt sich zunächst der Ernst auf. Doch wie Tragödie und Komödie nahe beiein­ander liegen, sind auch Humor und Ernst keine Gegen­sätze. Im Ernst erkennt man die Schwere und mögli­cher­weise Bedro­hung einer Situa­tion, im Humor wird die Situa­tion benannt, ohne Pein­lich­keit und Beschö­ni­gung. Der Humor ist damit keine Verdrän­gung, kein Nicht-verstehen, im Gegen­teil, der Humor durch­schaut die Situa­tion. Er erkennt die Bedro­hung, er stellt sich ihr, begegnet ihr mit Güte, nicht mit Schärfe.»

Die Oma macht ihr Fahrrad parat. «Wohin gehst du?», fragt die Enkelin.
«Ich gehe Opa auf dem Friedhof besu­chen.»
«Und wer bringt dann das Fahrrad wieder zurück?».

Schön, wenn man dabei lachen kann und wenn es somit einen Augen­blick der Heiter­keit und der Güte gibt. Nicht nur als Clown kann man diese Augen­blicke sammeln, sondern auch als Betrof­fener. Schliess­lich sollte man nicht vergessen: die Todes­rate der Gattung Mensch liegt nach neuesten Studien der John-Hopkins-Univer­sität bei 100 %.